HEIMAT
Wo die wilden Wolken ziehen
und die alten Schlösser ragen,
wo im Gras die Blumen blühen
Regen fällt an vielen Tagen,
wo die Pferde mutig springen
über saftig grünen Rasen,
wo die Lerchen nachts noch singen
und die weißen Schafe grasen,
wo die Ritter einstmals rangen
um der schönen Jungfrau Gunst,
wo die Mutigen gefangen,
alter Dichter Lyrikkunst,
wo die Flüsse Sehnsucht tragen,
fließend zu dem Meere hin,
wo die bunten Planenwagen
auf den Buckelstraßen ziehn -
dort wurde ich dereinst geboren.
Doch ehe ich mein Haus gekannt,
habe ich den Weg verloren
zurück zu meinem Heimatland.
Adieu
Grüne Auen leuchten mir im Traum,
weite Wiesen laben meinen Blick,
Milanflügel kreisen überm Feld,
weites Land und keinen Blick zurück.
Lang genug hab ich gelebt im Grau,
Steine atmen nicht und schlafen nur.
Ich schau hinauf zu kaltem Himmelsblau
und leg zum Garten Eden eine Spur.
Adieu sag ich zu dieser großen Stadt,
gern lebt ich hier, doch nun ist es soweit:
Ein letztes Mal geh ich den schmalen Pfad,
der Fluss trägt immer noch sein graues Kleid.
Schon übermorgen weht der Wind mich fort,
zu meiner Heimat Wiesen, Wald und Hain.
Es ist, als brauchte es ein einzig Wort,
um wieder eins mit meinem Stamm zu sein.
Die Rückkehr
Seit vielen Jahren steht in Vaters Scheune
die alte Truhe, die Vergangnes birgt.
Erinnerung, um die ich manchmal weine -
das Recht zu schauen habe ich verwirkt.
Vor langen Zeiten ging ich in die Ferne,
ließ alles, was mir lieb gewesen ist, zurück.
Ich sah des Nachts Millionen fremde Sterne
und fand trotz steten Suchens nie mein Glück.
Die Briefe, die sie schrieben, las ich kaum,
sie hatten ja noch Tochter und den Sohn.
Und doch sah ich sie weinen, nachts im Traum,
die Mutter zählte Tag für Tag den Hungerlohn.
Nun bin ich in der Heimat angekommen,
das Haus ist leer, der Garten sieht verwildert aus.
Nur in der Scheune steht die alte Truhe -
voll Reue laufe ich zum Tor hinaus.
Die schweren Schritte lenken mich ans Grab
der Eltern, die so früh verstorben sind.
Ach könnte ich die Zeit noch einmal leben,
wie gern wär ich noch einmal Kind.
Herbstpfad
Ich geh den schmalen Wiesenweg
hin zu des Waldes Kiefernwand,
wo einst die alte Holzbank stand.
Mein Fuß betritt den Brückensteg,
der wild verwuchert ist am Rand.
Das kleine Flüsschen fließt nicht mehr,
die Wasserrinne ist längst leer.
So träum und denk ich mich zurück,
zu Kindertagen, die voll Glück
gewesen sind. Nur einen Blick
aufs blaue Band der Jugendzeit -
wie sind die Jahre weit, so weit.
Ich schreite langsam Schritt für Schritt
und die Erinnerung geht mit.
Was bleibt mir noch, so frag ich mich,
lässt mich das Leben jetzt im Stich?
Noch atme ich die reine Luft
und des Daseins süßen Duft,
wenn ich auch schwere Zeiten litt.
Elbe im Winter
Weißes Land so weit man schaut
In verwunschnem Auenrund
Nebeltreiben dämpft den Laut
Tanz der Krähen: Morgenstund
Erlen strecken ihre Äste
Ragen hoch ins Wolkengrau
Amseln sind die einzgen Gäste
Noch sind Wind und Wetter rau
Dickes Eis an Buhnenköpfen
Eingefroren und gestaut
Rabenschnäbel schöpfen Wasser
Elfenstill liegt diese Ruh
Land gleicht einem Leichenweg
Bis der Sonne Strahlenschuh
Eine Spur des Frühlings legt
Ich wünschte mir
Ich wünschte mir, dass du erzähltest,
mir, Mutter, von dem großen Glück,
dein Kind zu sein und du erwähltest
an jedem Tag den Augenblick,
mich zärtlich in den Arm zu nehmen,
und mir das wilde Wesen zähmen.
Ich wünschte mir, dass aufmerksam
der Vater anhört meine Sorgen,
und dass er tröstet einfühlsam:
So fühlt' ich mich geborgen.
Doch lange schon deckt stilles Feld
zwei Elternleben - nur das zählt.
DER ALTE BRUNNEN
Und wieder geh ich zu dem Brunnen,
der drüben moosbewachsen liegt,
zwölf Schritte nur von mir entfernt,
in dem das Wasser nie versiegt.
An seinem Rand gebrochne Steine,
wie auch mein Leben einst zerbrach,
in seinem Innern rauscht es leise
und über ihm ein Blätterdach.
Wie oft stand ich an seinem Rand,
den Blick nach unten tief hinab,
wo schwarzes Wasser leise singt,
das mich zum Umkehrdenken zwingt.
Und doch, ich finde meine Ruhe
im fernen Plätschern tief in ihm,
bin angekommen von der Reise,
die niemals mehr zu Ende schien.
Nun bin ich eins mit meinem Brunnen,
der moosbewachsen mich erwärmt.
Kein Schritt mehr bin ich fern von ihm,
wo auch kein kaltes Leben lärmt.
Ferne Heimat
Kennst du die grünen Auen dort am Fluss,
die taubenetzt ihr Lied des Morgens summen,
wo feuchte, kühle Luft das Haar mir streift
und Großstadtlieder ganz und gar verstummen?
Kennst du den Ort, wo früh noch Hähne krähen,
im Schornstein pfeifend rauhe Winde wehn,
an Wegesrändern frische Pilze stehen,
und Liebende am Strom spazierengehn?
Weißt du, wo nachts die Grillen zirpen
und morgens uns der Ruf der Amsel weckt,
im Wald die Kiefern sich mit Birken mischen
und jedes Häuserdach in Rot gedeckt?
Nennst du den Namen, kennst du die Magie,
die mich begleitet, wo ich geh und steh.
Das Herz mir schlägt um dieses schöne Weh.
Oh ferne Heimat, ich vergess dich nie!